Mein Grabstein

Ich pflücke jeden Tag runde Texte, werfe sie in runde Körbe und vielleicht vergammeln sie zu einem grimmigen Kommentar verglichen mit den Goldenen Getreidefeldern, die unter grünem Himmel den wahren Menschen gehören. Alles, wirklich alles muss erlaubt sein, das mir Erfurt vom Hals hält, dieses graue, gelangweilte Gespenst, das meine Knochen schwer und meine Gedanken transparent machen will. Ich sehe meiner unmittelbaren Auflösung entgegen, ich stürze mit weit aufgerissenen Augen und müdem Grinsen aus Eurer Gemeinschaft und Erfurt verwandelt sich vor meinen Augen in das Dorf, das es ist, das lieblose, langweilige Erfurt. Ich spüre, wie mich die Tapete in meinem Zimmer genau so deprimiert wie die grauen Straßen und der blaue Himmel und all die nützlichen Gegenstände ringsherum, die mir suggerieren, dass ich jemand bin und ein Ziel habe; all die Gegenstände in meinem Zimmer sollen mir behilflich sein und lenken mich in eine bestimmte Richtung, definieren meine Möglichkeiten und damit wer ich bin, so wie die Häuserfassaden, wie die Gesichter auf den Straßen von Erfurt, wie der Sound in den Straßen und der Geruch von Entsolidarisierung und Bratwurst.

Das Cannabis zwischen meinen Zähnen fragt: wäre es nicht schön, wenn alle Menschen entspannter wären? Wie müsste eine Gesellschaft strukturiert sein, in der Menschen ganz automatisch so entspannt und kreativ und munter sind? Wie muss dein Zimmer aussehen, wenn du dich so wohl fühlen willst wie unter Cannabiseinfluss? Wichtig ist, dass man sich bewusst macht, welchen Einfluss die Umwelt auf das Gehirn und damit das Bewusstsein hat - und dass man gegebenenfalls bestimmte Umweltbedingungen ändern muss, um zu verhindert, dass man jemand wird, der man nicht sein will (jeder noch nicht gänzlich Abgestumpfte und Erloschene weiß, wie er nicht enden will).

Man braucht leider ein klares Bild von sich, um wenigstens motiviert zu sein, etwas zu machen, ganz egal ob man dem Bild von sich entsprechen wird oder nicht. Ja, man kann authentisch nur sich selbst gegenüber sein, aber nur, wenn man ein konkretes Bild von sich hat. Idealisiere dich, unterwerfe dich dem Ideal, verteidige das Ideal mit aller Gewalt: sonst kommst du bald nicht mehr aus dem Bett.

Ich erinnere mich plötzlich an all die Momente, in denen mich Andere nicht ernst genommen haben, oh! wie viel Macht sie über mich hatten! Das ist die große Herausforderung: wenn man nie ernst genommen wurde und sich also selbst nie ernst nehmen konnte, findet man im Vergleich mit Anderen heraus, dass man sehr viel besser leben kann, ohne etwas ernst zu nehmen, solang man irgendetwas tut, sich beschäftigt, sich ablenkt von den allerkleinsten Fragen im Universum: "Wer bin ich?" Wer sowas fragt, verdrischt auch kleine Mädchen mit Sonnenblumen. Es gibt niemanden, der so eine Frage stellt, das kann ich dir gleich sagen, also konzentriere dich lieber darauf, wie du wahrgenommen wirst, das ist die eine zentrale Forderung, die das Leben in dieser Gesellschaft an dich stellt: erfinde eine Rolle und zieh sie durch - oder sei in jeder Minute jemand anderes. Man kann noch einen kleinen Schritt weitergehen und erkennen: derjenige in dir, der verschiedene Rollenspiele von dir beobachtet, spielt selbst eine Rolle. "Es muss mir doch möglich sein, ohne mein Ich auszukommen!", das ist die allerkleinste Antwort auf alles. Der Körper muss gereinigt werden von den Giftstoffen, die das Selbstgefühl in den Körper abgibt, um ihn zu unterwerfen. Erst wenn ich komplett leer bin, kann ich mich selbst erfinden. Deshalb muss die Stadt noch ein kleines bisschen mehr drücken.