Barmherzigkeit

Um eine gute Predigt zu schreiben, brauchst du die richtige Körperhaltung, das richtige Licht und die richtige Selbstüberschätzung. Und das richtige Frühstück. Ich hatte heute leider nur einen viel zu starken Kaffee. Here we go.

Es gibt kein Recht, gelangweilt zu sein, wenn der Urwald brennt, die Polizei aggressiver und das Trinkwasser ungenießbar wird. Die Welt ist ein interessanter Ort, das Leben ist interessant, weil die Welt nicht leer ist, sie ist vollgestopft mit Möglichkeiten und Gefahren, niemand hat das ganze Ausmaß des Möglichen vor Augen. In fast jedem Buch steckt irgendeine Wahrheit, jeder Film, jedes Lied, jeder Chat, jedes Tagebuch ist ein unendliches Universum für sich. Wenn sich die richtigen Leute finden und ihre Potentiale bündeln, wenn die richtigen Leute miteinander experimentieren, diskutieren, komponieren, recherchieren, können Meilensteine der Menschheit entstehen. Der Sinn des Lebens leuchtet klar vor meinen Augen: Selbststeigerung durch Kooperation, alle Kunst und Wissenschaft für eine radikale Transformation der ganzen Welt.

In Zukunft erfüllt die Kunst eine größere Bedeutung in der Demokratie. Der Staat ist bald verpflichtet, die Vielfalt der Kultur zu steigern, statt die Wirtschaft wachsen zu lassen. Bald wird in Europa über Uraufführungen, Vernissagen und Twitter-Aphorismen gestritten, aber erst wenn die übermächtigen Fabriken kaputtgegangen sind.

Eine ständig im Diskurs befindliche Wissenschaftscommunity, politisch und wirtschaftlich unabhängig, interdisziplinär vernetzt. Fortan soll der Etat für Wissenschaft und Forschung das Hundertfache des Militärhaushaltes sein.

Freie Journalisten und Medienkonzerne inszenieren die Öffentlichkeit, das wahre Leben, die puren Fakten und Meinungen und Haltungen. Hier spiegelt sich die Menschheit mit sich selbst kommunizierend. Es ist zu verhindern, dass Rechtsradikale und Psychopathen systemrelevante Medien für ihre Propaganda benutzen. So wie man Rassisten und Faschisten aus jeder guten Gartenparty entfernen würde, darf man ihnen auch den öffentlichen Raum nicht zugestehen. Ihre Propagandisten erhalten Berufsverbot. Eine Verfassung muss ihre Feinde ausschließen. Faschismus ist ein Virus. 

Der ideale Staat ist gleichzeitig Kunstwerk und Staat. Es macht Spaß, seine Institutionen zu benutzen. Der ideale Staat ist eine schöne Performance verschiedener Städte. Deutschland eine entmilitarisierte Kultur- und Wissenschaftsgesellschaft, ein grüner Wohlfahrtsstaat, alle willkommen heißend, die mit uns ihr Glück versuchen wollen. Aus allen Ländern der Erde kommen die Menschen, weil auch sie das Recht haben, in Deutschland zu leben. 
Wir sind eine reiche, christliche Nation. Wir haben dem Kapitalismus viel zu verdanken, der Kirche ebenso. Jetzt aber können wir zumindest den Kapitalismus abschaffen, mit Gottes Hilfe vielleicht. Gott steht auf der Seite der Armen, der Verlorenen, der Ängstlichen. Aber Gott ist nicht allmächtig, Gott zweifelt oft, Gott dreht sich oft im Kreis.

Jesus ist gestorben, und jemand hat behauptet, er sei Gottes Sohn gewesen. Jesus hat das nie behauptet:

"Meine lieben Freunde, ich danke euch, dass ihr alle bei mir seid heute an meinem Geburtstag. Setzen wir uns ans Feuer. Es ist leicht, die richtige Entfernung zur Flamme zu finden. Ich liebe die Nachtluft, den Sternenhimmel, die rauschenden Bäume und die Gespräche, die in einem Ton geführt werden, der ganz anders klingt als am Tag. So klingt nun auch meine Stimme anders und das Feuer lässt mein Gesicht ganz anders scheinen als die Sonne oder der Mond. Ich sehe immer anders aus, die Bäume rauschen jede Nacht anders als bisher, immer bin ich von verschiedenen Freunden umgeben, meine Träume sind immer anders, aber das, was sich nicht verändert, ist das, was uns alle mit Leben und Bewusstsein füllt: Gott. Alles, was sich nicht verändert, ist Gott. Alles, was nicht vergeht, ist Gott. Gott kann nicht stärker oder schwächer werden, Gott hat immer die gleiche Energie. Du kannst Gott nah sein und fern sein. Er ist kein Vater, er testet und bestraft dich nicht. Gott hat niemals schlechte Laune. Das Unglück, das den Einzelnen heimsucht und die Katastrophe, die ganze Staaten quält, das ist die Hölle, die von Menschen gemachte. Ja, liebe Freunde: Gott hat Leben geschaffen, um Leben im Paradies zu sein und die Menschen geschaffen, um an der Hölle arbeiten, wenn sie sich von seiner Liebe entfernen. Gott braucht etwas, das ihn wahrnimmt. Nur etwas, das von Gott verschieden ist, kann ihn wahrnehmen. Gott schafft Lebewesen, die ein schönes Leben im Paradies haben, damit Gott ein schönes Leben im Paradies erleben kann. Aber Gott hat den Menschen geschaffen, der ihn erkennen kann und ihn bewundern kann und ihn lieben kann. Lebewesen, die nicht komplex genug sind um wissen zu können, dass sie sterblich sind, können Gott nicht dankbar sein. Nur der Mensch, der um seinen unvermeidbaren Tod weiß, kann eine echte Beziehung zu Gott eingehen.
Jeder, der verliebt ist, spürt Gott. Der Liebe zu gehorchen und zu folgen, heißt, auf Gottes Wegen sein. Liebe ist das, was nicht vergeht, was nicht schwächer und stärker werden kann. Liebe ist das höchste Gefühl, die Abwesenheit von Liebe das tiefste. Das Unglück der Menschen ist identisch mit ihrer Distanz zu Gott.

Ich folge meiner Liebe, ich küsse meine Freunde, ich schlafe neben ihnen ein, ich gehe mit ihnen wandern und tanzen und trinken und das Wort Gottes verkünden. Die Lieder die wir singen, strahlen in Liebe, beflügeln unsere Sehnsucht nach einem besseren Leben. Liebe und Gott sind eins. Liebend ist der Mensch bei Gott, liebend macht der Mensch nichts falsch, liebend ist Gott bei sich selbst.

Gott kann sich den Menschen nicht anders zeigen als durch Liebe. Je unterschiedlicher deine Erfahrungen mit Liebe, desto genauer kennst du Gott.
Wenn die Liebe fort ist, war sie nie da.  Gedanken vergehen, Materie vergeht, Hass vergeht, Zeit vergeht, aber Gott bleibt. Was bleibt noch? Nichts, nur die Liebe in Gott, die Liebe als Gott.

Die Menschheit ist ein komplexer Freundschaftskreis. Je freundlicher der Kreis, desto näher bei Gott.

Der Sinn des Lebens ist, auf einer schönen Welt ein schönes Leben zu haben. Die Welt schöner zu machen, ist der erste und letzte Sinn eines Lebens, das nicht schön ist."

Amen.