Die Januar-Manie (Erster Teil)

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Wir hängen in einem kalten Dezembermorgen fest, oben in meinem großen, kargen, so hell wie möglich ausgeleuchteten Zimmer, das Fenster weit auf, 100jährige Bluesmusik unter dem Bett; drei Freunde reiben sich die Augen im schwarzen Kaffee-Hustenstiller-Graswahn; wenn man nicht expandiert, stürzt man in sich selbst ab. Die Stadt bleich, ungemütlich, von trostlosen Menschen vollgewohnt, die ihre Zeit in schlechten Jobs verschwenden und in halbherzigen Beziehungen. Wir hoffen etwas besseres zu sein, indem wir uns mit besseren Dingen beschäftigen: die Suche nach dem Zentrum; verschlungen im Nonverbalen der psychedelische Kern; die psychotische Expansion ist möglich, wetten?

In übergroßen, weißen Pullovern stehen wir, frisch aus einem dichten, klaren DXM-Garten kommen wir gekrochen, mit weißen, übergroßen, sehr sehr kuscheligen, weißhaarigen Pullovern stehen wir im blau-grauem Morgensturm an der Kreuzung, früh am Morgen ein paar Meter vor unserer Wohnung, der Wind kalt und freundlich, wir starren auf den Boden, dessen graue Punkte verschwimmen, feine, atmende Betonstruktur, wenn wir die Augen schließen, sind wir abgeschottet in einer geometrischen, unendlichen Welt elektrischer Farben und Muster, die genau so wirklich sind wie der Boden auf dem wir stehen: psychotische Erweiterung der Realität, weiße Pullover und dreckige Winde, Hauptstraßenunterhaltung, wir schauen alle Leute an und alle ahnen, dass wir ihnen was zu geben haben. Sie stecken in ihren gepolsterten Routinen, gepolsterten Gesichtern, gepolsterten Vorstellungen von Zeit und Raum und Sinn und Wahrheit; und wir daneben riesige, flauschige, nutzlose Gegenstände, die mit einem verbrecherischen und einem mitfühlenden Auge Menschen auf ihren Wegen mit wortlosen Fragen nerven, mit vibrierender Euphorie neben grauen, dünnen Bäumen im Wind stehen wir, die Droge und die Stadt einfach aushaltend, den Beton und die Gehirnströme, jede seltsame Schief- und Knicklage aushaltend an Charakter und Geschichte und Zukunft gewinnen, in eine Biografie einpendeln, mit vielen verschiedenen Menschen in Verbindung treten, einen Bogen um die Bockwurstbude machen, kein Fleisch essen ist besser als Fleisch essen, unsere weißen, kuschligen Pullover sind verlässlicher als unsere Eltern, hinter unseren Augen sind wir sicher, die Stadt ist weder freundlich noch unfreundlich. Die drei Freunde gehen gegen 10Uhr vormittags ihre eigenen Wege, ich sitze allein auf einer Parkbank und begrüße den ersten manischen Anfall meines Lebens.

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Ich verschütte in ekstatischen Zuckungen die Idee einer zweiköpfigen Partei: ein manisch-psychedelischer und ein nüchtern-depressiver Kopf. Die Stachelschweine! Immer wenn man nüchtern ist, arbeitet man gegen die psychedelische Gegenseite und umgekehrt! Wir spielen mit uns selbst und können dabei unserer Laune freien Lauf lassen, weil wir immer automatisch im einen oder anderen Kopf sind. Wir transportieren den Ort der Partei ins Internet und man sieht an den Avataren, wer gerade in welchem Teil der Partei ist. Wenn man einen roten Punkt im Profilbild hat, ist man auf der manischen Seite der Partei, ein weißer Punkt steht für die depressive Seite.

(Man darf auch so tun, als wäre man im depressiven Teil, obwohl man nicht depressiv ist. Man muss nicht ehrlich sein. Ich selbst bin nur ganz selten ganz oben oder ganz unten.)

Endlich gibt es keinen Grund mehr zu schlafen....°%°"°%

Die Aufspaltung des Lebens. Der Dialog des Gegensätzlichen. Die Entwicklung einer psychedelischen Gegenkultur. Es muss eine Partei geben, die die psychedelischen Interessen der Menschen vertritt. Ein Angriff auf Persönlichkeitskult und Selbstkontrolle. Das ist ein gattungsübergreifendes Unterfangen und untersteht nur den Gesetzen der Ekstase und der Skepsis. Absoluter Rausch oder absolute Enthaltung.

Wenn man sich fragt, ob es eine Manie mit kreativem Potential ist oder nur eine irrationale Manie die zerstört, muss man ganz unvorsichtig sein.

Vieles was ich bisher nur erahnte, erfüllt sich, es ist so als würde ich beginnen, in das Leben reinzurutschen, in das ich reinrutschen will. Coffeinüberdosis und Cannabisüberdosis vertragen sich sehr gut.

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Ich muss die Manie weiter zu einer Partei ausbauen. Jede Krankheit verdient eine Institution.

Jeder ist sensibel, jeder ist kreativ. Zerrissenheit ist die Antwort auf alles. Jedes Detail ist wichtig. Jeder gehört dazu: als Freund, als Feind, als gleichgültiger, schwarzer, weicher Gegenstand. Ständige Interaktion, hypersensibles Netz, eine komplexe, multidimensionale Performance. Eine Notiz nur. Eine fixe Idee, um die Zeit und den Raum zu vertreiben.

Die Manie ist das Ruhekissen für den Depressiven. Die Depression ist das Ruhekissen für den Manischen. Man kann nur verhindern, wahnsinnig zu werden, wenn man das Wechselbad der Extreme nicht verlässt. Dafür sind diplomatische Beziehungen nötig: Kunst und Ästhetik liefert den besten Rahmen dafür. Der Körper und das Bewusstsein dürfen nicht in die Enge getrieben werden! Immerzu Misstrauen schüren, Kritik inspirieren! Wohlig-perverses Zittern in Verwirrung, laute Musik und ein großes Bedürfnis nach Sauberkeit. Ich möchte, dass mein Kopf nach Vanille und Honig riecht. Alle in einer WG müssen das selbe Shampoo benutzen. Olfaktorische Einheit verdichtet das gemeinsame Schicksal.
Ich möchte meine Freunde hier haben, ich möchte, dass wir unser Fieber kuschelig verpacken und etwas Monolithisches errichten: die Partei ist nur der Anbetungsapparat dieses schwarzen Dings, das auf unserer Fahne ist: ein schwarzes Dings, das keiner verstehen kann, weil es keine feste Bedeutung hat: ihm unterwerfen wir alles.

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Wie konnte es soweit kommen?

Meine Verklemmtheit bewahrte mich immer davor, fanatisch und paranoid zu werden. Schau genau hin, Honigboy! Meine Selbstironie und Verkünsteltheit ist ein plüschiger, pluschiger Polsterpanzer, der mir gewachsen ist, nachdem ich diese Stadt näher kennengelernt habe - die Alliterationen, die er manchmal erzeugt, zwinkern alle mit den Augen.

Es gibt nichts ernst zu nehmen: ich kann also nicht wahnsinnig werden. Dextrometorphan strahlt alle gerechtfertigte Verklemmtheit aus dem Fleisch und man sieht die Welt, wie man sie sehen könnte, wäre man nicht an diese verklemmte, unfreundliche Stadt gekettet. Wenn man die Welt auch nicht mit gereinigten Augen sieht, so denkt man doch anders über sie und sich selbst nach; ein leichtes, selbstloses Glück, für das man sich bei niemandem bedanken muss, in das man sich treiben lassen kann, ohne davon zu berichten: ich will ja auch die intime, schriftlich nicht darstellbare oder zumindest schriftlich um ihr Potential gebrachte Seite des Rausches kennenlernen - ein Besuch in einer neuen Stadt kann auch nur ohne Notizbuch, ohne Diktiergerät, ohne Gesprächspartner pur sein.

Wen darf ich für euch spielen? Wen kann ich spielen? Genau sowas fragt man sich, wenn man ewig nicht unter Menschen war und keinerlei Talent zu irgendetwas hat, aber manisch von gutem Musik- und Medikamentengeschmack eine unendliche Fantasieburg unter dem Bett erstürmt, das Gehirn leuchtet wie ein Aquarium und ringsherum brennen Häuser und Menschen fliehen ins Unbekannte, mein Grinsen verbindet sich mit meinem kuschligen Pullover und wollene Wellen einer mediterranen Frische durchbrausen meinen Körper, indem ich bin. Er ist das absolute Zentrum. "Man kommt nie aus sich heraus, man ist immer allein in sich!", droht mir ein Apotheker, ein Vater, ein Beamter. Ich habe Lust ein Haus anzuzünden. Oh je, was habe ich für Eigenschaften? Wo hört alles Getue auf? Ich befinde mich auf einer weißen Bühne und will mit einem langen, tiefblauen, strahlenden Hammer Ruhe einläuten.

Neonmondlicht im wackligen zarten Haus. Die Zeit bleibt stehen, mein Selbst bleibt stehen, die Maschine ruht, alles ist erleuchtet. Was sind denn Hände? Werkzeuge meines Gehirns. Wofür lebe ich? Für das sinnlose Strahlen in meinem Hirnstamm. Was hält mein Leben zusammen? Eine formlose Sehnsucht. Warum bewege ich mich gerade aus? Warum ist nicht Schluss jetzt? Ich bin Energie, aber wohin? Was ist das, was in mir existiert und "Selbst" genannt wird? Ich kann atmen um Dinge wahrzunehmen, aber was sonst? Ich kann nur noch wahrnehmen. Ich bin Wahrnehmung. Ich sitze in einem kühlen, dunkelblauen Zimmer und glaube wirklich wahnsinnig zu sein: völlig überwältigt von Uncoolness - nichts ist selbstverständlich mehr. Ich sehe wie es ist, mit bleichem Gesicht und blauen, elektrischen Augen. Ich habe Angst vor mir und stolziere wie ein fetter Gockel durch die Küche, ich fühle mich von allen Leuten beobachtet, die ich jemals getroffen habe, oh ich mach Theater für all die imaginären Menschen und meine Fußstampfen schlürfen klebrig über den Boden, ich bin ein existierendes Wesen, klebe im Zelt irgendeiner Aufgabe und klappere und kloppere auf einer Tastatur herum. Ein Lebewesen, das auf einer Tastatur herumschreibt. Ein Mensch der scwahnkt zur Musik und sich an den Rausch anlehnt und langsam wieder zu sich kommt? Es gibt Menschen, die haben ein Interesse an diesem, es gibt Menschen die haben ein Interesse an jenem. Das schreiben dieser Sätze ist so intensiv wie ein Traum. Es gibt hier kein Drehbuch, ich hab es endlich verstanden.

Wenn die Hustenstiller ausklingen, eine Bong rauchen, intensiviert alles so ungemein. Wenn man herausfindet, wie intensiv etwas sein kann, sollte man diesen Zustand als die oberste Realität anerkennen oder? Warum sollten wir uns etwas Derartiges entgehen lassen? Das ist die wichtigste Frage. Ich sehe keinen Sinn darin. Der Staat muss sich an psychedelische Bedürfnisse anpassen. Das ist meine Utopie, und die unterdrückten Kakteen und verborgenen Tabletten und giftigen Hinterhofspritzen bilden einen schönen Blumenstrauß, herzlichen Dank, wir können jede Hilfe gebrauchen.

Das Gehirn ist etwas Wunderbares, denken und leben ist wirklich etwas richtig Tolles, das Tollste was es gibt, auch wenn man nicht wissen kann, wozu das alles gut ist. Ich muss so direkt und plakativ werden, es geht nicht anders! Ihr müsst euch das einfach ansehen. Warum kann dieser Zustand nicht als kulturelles Allgemeingut gelten wie Kaffee trinken oder Tabak rauchen? Das ganze Konzept von nüchtern und berauscht muss völlig neu bewertet werden. Dafür möchte ich mich mit meiner Partei einsetzen.

Der Realitätsbegriff muss gekippt werden. Wenn man alle Drogen legalisiert, braucht man auch keine Verkehrsregeln mehr. Die ganzen Gift- und Schmerzfabriken können in Würde zu Ruinen werden, während wir ein Fest an ein anderes hängen, weiche, transparente Blumenkörbe, in die wir unser Leben verwandeln, das universale Wirrwarr bekommt in diesem Moment das höchste Maß an Bedeutung, viel größer als die Bedeutung deiner Verwirrung. Ich habe Lust, einen Satz an den anderen zu matschen, in großen, grünen Gummistiefeln will ich eine Kuh melken und dabei vom Fernsehen gefilmt werden, damit ich berühmt werde. "Die haben doch alle keine Lust auf das, was wir unter Surrealismus verstehen", knautsche ich wie ein Nazi in Strickjacke in dieses Kopfkissenende des Tagebuchs.

Wenn ich Tom Waits' Rumpelmusik in einer rechtwinkligen Einbauwohnung hören würde, was sagte das darüber aus, was ich mir von der Kunst erwarte? Soll sie ein Kontrast zu meinem Leben sein oder eine authentische Begleitung? Deshalb sollten auch keine Drogen verboten sein: der Staat darf nicht kontrollieren, was Realität bedeutet.

"Ab jetzt wird sich hier vielleicht einiges ändern!", haut der Chef der Zaghaften voll schäumender Bescheidenheit seine halbe Faust auf den Schreibtisch. Meine Augen sind schwarz von Selbstmord und verstimmten Klavieren. Ich wohne in einem echten Assihaus, mein Mitbewohner ist eine wikipedia-kommunistische Kakerlake, die Lieder aus Family Guy singt, während sie in einem Papierboot, das sie aus meinem Kontoauszug gebastelt hat, im schwarz-braunen Spülwasser an mir vorbeigondelt, über uns flackert eine grüne Glühbirne, im Radio kommt alte Bluesmusik, ich trage immer noch den weißen, kuscheligen Pullover, ich habe mich selten so sauber und klar und frisch und munter gefühlt. Hier gibt es keine Rolle mehr, weil es nur permanente Gegenwart gibt. Die künstliche Euphorie entblättert mir die reale Schönheit der Welt, meines Schicksals, meines Aufgehobenseins, es gibt ringsherum sehr beunruhigende Geräusche, aber eine kräftige, transparente Euphorie lässt mich in aller Schärfe schillern, während ich doch nur ein in Spülwasser und Bioabfall und Whiskey eingeweichtes Akkordeon bin, auf das niemand mehr spielen will, und hier hab ich die ganzen blutpissenden Fotzen auf meiner Seite. Entschuldige die Ohrfeige und vergiss nicht, dass du dir alle Masken aufsetzen kannst, die du brauchst.

Irgendwann kommt alles zur triumphalen, sentimental triefenden Abendparade, eine herzliche, farbenkräftige, rührende Feierstunde. Der träge Himmel über dem Gedanken, dass ich irgendwann mal alt bin, lässt jeglichen Zweifel darüber verblassen, ob Dissoziation wichtig ist. Ja, ist sie! Sie ist extrem wichtig. Es ist extrem wichtig, dass ich mich hier in diesen Wandschrank einsperre. Ich weiß, die Euphorie ist nicht gerechtfertigt, aber heul mich doch damit nicht voll! Du kannst sie auch haben. Ach und glaub nicht, dass man hier reglos und dumm ist, dass man hier irgendwie verkommt. Siehst du mich irgendwie welken? Nein, ich bin sehr lebendig und klar, ein kühler Wind, frei von Vergangenheit, frei von Zukunft, keine Lust mehr auf das anständige Gejammer über den Staat, der mit meinen Eltern verschmolzen ist. Wären meine Eltern früh gestorben, wäre ich nicht so depressiv, denn dann hätte ich nur ein Ideal gehabt, dass mich begleitet hätte... Verzeiht, dass meine Wangen so rot glühen und meine Augen zu zitronenfrischen Wassertrichtern werden, aber das Große und Ganze wollen wir nicht vergessen; hier geht es darum, den Skeptiker, den Nüchternen da, diesen Grobian der Pflicht, diesen Trottel in die absoluten Schranken zu weisen: die suizidale Gefahr, die von ihm ausgeht, darf nicht mehr getragen werden.

Hiermit lege ich den Virus, dass Cannabis dem Leben mehr nützt als schadet, in den Organismus: in meinen und in den meiner Leserschaft. Ich bin immer noch überwältigt von meinem Stolpern, das Leben ist wirklich großartiger als Demokratie und rauschende Bäume und Küsse zusammen. 

"Trouble in the east" von Ornette Coleman ist der ideale Einstieg ins Königreich.

Es schnattert die Klapperschlange: "Wage den psychedelischen Absteig unter die Bretter deiner Welt. Pass auf, dass der Skeptiker nicht alles kaputt macht. Du spürst, er ist in der Nähe, nicht wahr? Der Vater, der jeden Blick überwacht und mit seiner groben Meinung Unruhe tief in dein Herz säht. Dabei hat er keine Ahnung, wer du bist und was du im Stande bist zu tun und zu lassen..." Ich fühle mich derart gebremst von den Erinnerungen an meine kalten Eltern, erzgebirgische Kleingärtner ohne Kleingarten, ich muss es immer weiter übertreiben. Es deprimiert mich so, von ihnen angeschaut zu werden. Sie sind Grundlage meiner gesamten Verspannung. "Bei allem was wir für dich getan haben!", höre ich sie jammern, so vulgär und grob und schamlos: verdammt, bei wem rechtfertige ich mich gerade für meinen Ekel vor meinen Erzeugern? Wer in mir schaut sich nach liebenden Autoritäten um? Ich fühle mich von meinen Freunden bewertet wie von meinen Eltern. Was sagt mein Umgang mit meinen Eltern über den Umgang mit Leuten aus die ich liebe?

Ich hab das Gefühl, dass die technischen und vorallem sozialen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte bald zunichtegebombt oder zumindest heruntergewirtschaftet werden; deshalb fingiere ich mir einen ökologischen, radikalen Sozialismus, der wirklich allen Menschen hilft und sich nicht mittels Krieg durchsetzen muss, sondern mittels Vernunft und sich nicht mit Mauern verteidigt, sondern mit Musik und Umarmungen und tiefschürfendem Freibier und Freigras für alle.

Egal von wem ich bewertet werde, es will mir die Kehle zuschnüren. Ich habe kein Ego! Ach du scheiße, das kann man doch keinem sagen... Jeden Moment könnten meine Eltern reinkommen und ich frag mich, ob ich das hier alles so schreiben kann... Ich hasse den Ernst der Dinge. Ich muss unbedingt unter Leute. Ich weiß nicht mehr, ob das, was ich tue richtig ist, und ob das, was ich will, mit dem, was ich leisten kann, überhaupt etwas zu tun hat. Vielleicht würde mich nichtmal ein Nobelpreis aus der Sackgasse herausholen, in die man mich aus Langeweile geboren hat.

Eine undurchdringliche Universaleinsamkeit: man kann sich auf sie einlassen und man kann ihr trotzen. Ich fühle mich wieder wie ein kleines Kind, das aus sich selbst heraus keine Werte ableiten kann, weil es keine Persönlichkeit hat. Scheinbar schäme ich mich vor allem, was persönlich ist, und sei es vor meinem Stil. Es ist total anstrengend, hier so zu flattern, die Musik tut ihr übriges, wenn man so sehr taumelt und nichts zu tun hat, sollte man es auf jeden Fall vermeiden, nachzudenken. Es ist absolut nicht sicher, ob mein Leben nicht doch in einer Sackgasse endet. Der finale Trost bleibt immer, dass niemand mich kennt: meine Freunde nicht, meine Eltern nicht, der Staat nicht, und ich auch nicht. Dass ich mich nicht kenne, nicht kennen will, ist die Grundlage meiner Freiheit. 


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Unser Bedürfnis nach Nähe und unsere sperrigen Körper kämpfen miteinander und unsere Wege durch diese elende Stadt müssen unter allen Umständen schleierhaft bleiben: insomnische Untote laufen einem ironischen Guru hinterher, unwissend, ob Aufbruchs- oder Abbruchsstimmung herrscht. Keine Uhrzeit fasst uns mehr an, kein Charakter gräbt unsere Integrität an. Ein hellblaues Fluidum hinter der Stirn, ungebunden an eine bestimmte Realität. Du musst dir ein Messer besorgen und dich nach einem schwachen, unbedeutenden Menschenopfer umsehen. So schwer kann das in Erfurt Nord nicht sein. Ich weiß, ich kann rational und moralisch und empathisch dagegensteuern, aber ich muss es nicht. Es haben bestimmt schon Leute, die psychisch gesünder waren als ich, Morde begangen. Vielleicht bin ich nur ein kalter, dummer Psychopath, der mit Worten und Ideen spielt, um nicht den ganzen Tag die weiße Wand anzustarren und angeödet von seinem Musikgeschmack in das offene Ende dieses Satzes zu springen

Kaum Schlaf, kaum Essen, kaum eine Regung in meinem alten, sozialdemokratischen Herz. Ich werde immer asozialer und der IS steht mit einer Atombombe in Bagdad und würfelt und ich fange an, bestimmte Eigenschaften aus mir herauszustreichen wie Wörter aus einem veralteten Duden und der Kugelblitz eines Erleuchtungsgefühls schlägt einen Krater in die Schwammigkeit meines Seelenlebens: ich bin ein menschliches Stachelschwein. Ich weiß, hier stimmt etwas nicht und das ist ein Grund, einfach auszurasten, Krämpfe zu erkrampfen und Häuser abzufackeln. Ich habe als Künstler die Aufgabe, dieses Pathos lebendig zu halten und gegen die rationalen, neoliberalen Interessen zu verteidigen, also steche ich meiner Mutter die Augen aus und schlage meinem Vater die Hand ab. Die Medikamente gegen solche Visionen geben mir das Gefühl, absolut abstumpft und grundlos durch eine dunkle, instabile Welt zu irren. 

Ich unterhalte mich liebend gern mit mir selbst über mein Mitmirselbstkommunizieren. Ich spüre, wie ich von billigen Phrasen immer wieder zu speziellen Blüten gelange, die so schmecken wie die Musik und sich so anfühlen wie der schwarze Schreibtisch und so riechen wie meine alten Socken und die gleiche schwere Sehnsucht in sich tragen wie das dunkelblau-leuchtende Abendgewölk, unter dessen Urzeitlichkeit die Stadt sich ganz leicht biegt, wie eine schwarze Blume in der Vase neben mir. Dieses Buch besingt die Vase neben mir, ein gepolstertes "Y" auf geisterhaften Sohlen, gebacken in einem Steinofen mit stufenlos regulierbaren Metaebenen. In Einheit mit seinem Körper, hat man seinen vollen Wahnsinn im Griff. 

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MANIE. Es ist das Gefühl, von gütigen Mächten gesteuert zu werden, das Gefühl, extrem mutig sein zu dürfen. Alles fügt sich, verwandelt sich in einen luziden Traum. Ich bin ein weicher, schick geknickter Gewinner, eine an ihrem Glanz sich fast verbrennende, zarte Wüstenrose. Weil man sich als Maniker nur ungenau kommunizieren kann, gilt man als wahnsinnig.
Ich glänze, schwanke, komm nicht hinterher, stürze wie ein taubes Kind im Regen über den Hinterhof, ein Lachen allerbrutalster Freude, ein innerer Glanz, der meine Worte mit meinem Muskelgewebe verbindet, ich spüre dass mein Bewusstsein aus dem Kopf kommt, spüre wie es sprüht und strahlt und ewig sich um sich selber dreht. Ein glückseliger Euphorie-Kreisel, den alles stimuliert... der schwarze Tisch, das Dröhnen in der Luft, ein geisterhaft-subtiler, weit verzweigter Klavierakkord, all meine guten Gedanken stehen mit meinen guten Freunden auf einem Haus, den weichen Abgrund vor uns, die Morgendämmerung hinter uns...Die Botschaft, die wir mit unserem Klagen in die Schulhöfe und Schulgänge bringen wollen, ist eine Frage: "Warum schaut ihr euch die Morgendämmerung nicht an? Warum macht sie euch nicht irre?" Wie viel Aktivität kann ein Gehirn ertragen? Das ist das fulminante Gegenteil der insomnischen Krise. Spüren alle wie ich leuchte? Ich spüre, dass ich sehr nett und lieb und freundlich bin, gemütlich zerstreut... sehr zerstreut.... Alles Denken und Stolpern ein heiterer, leichter Tanz ... Ich verschwinde über diesen Roman vollständig in meiner Traumwelt.
Ahmet wollte vorbeikommen, einen Schaufensterpuppentorso holen, den das Mädchen, in deren Namen ich hier wohne, nicht mit nach Argentinien nehmen wollte. Ich stelle mir vor, wie ich es in meiner Manie vergesse und ich vergesse es, als ich mit dem Hund eine Beruhigungsrunde laufe, die Nacht zur Ruhe kommen lasse, die sich gerade golden in unseren Knochen breitmacht. Der Winkler sagt, ich soll aufpassen und aufhören mit dem Unsinn, er ist ein süßer Kater und ich fahre aus meiner politischen Euphorie in die alltägliche Euphorie. Der Hund ist aufgeregt wie ich, er ist irritiert von meiner Freude und vermisst noch ein bisschen das Frauchen. Ich beruhige in mit Lobpreisungen: feiner Hund, supermegatoller Hund! und freue mich wirklich wie ein kleines Kind, der Hund ist beruhigt.

Auf einer weiteren Runde meldet sich Ahmet. Ich hab ihn total vergessen. Wir verabreden uns vorm Haus. Auf dem Weg nach oben begegnet uns Hans, der 85jährige von ganz oben. Er hat seinen Schlüssel verloren. Ich und Ahmet suchen im Haus eine Säge und Ahmet sägt die Kette durch. Zurück in meiner Wohnung: mein Mitbewohner sucht halb lächelnd, halb grimmig die Erdbeermarmelade. Ich erschrecke und scheue mich zuzugeben, dass ich sie gestern leergeputzt habe. War da vielleicht etwas drin was die Manie ausgelöst hat? Ich entschuldige mich in wattigem, morgensonnigen, infantilen Strahlen und gehe sofort einen Ersatz kaufen. Ich habe ein intensives Bedürfnis nach Harmonie im Haus. Auf dem Rückweg finde ich den Schlüssel von Hans. Es ist eine seltsame Zeit, denke ich mir. Ich habe mich definitiv in einer Parallelwelt abgespalten, jetzt habe ich erst Kontakt mit dem Schicksal aufgenommen, das ich anstebe, das ich mir so lange wünschte, das sich in Träumen und solchen manischen Phantasien ausdrückt und zum großen, wonnigen Entsetzen passt sich die Realität ganz langsam an diese Traumwelt an. Alles ergibt sich. Die Meditationen des letzten Jahres haben mich auf die richtige, auf meine ureigene Bahn gebracht. Alles funktioniert. Das ist das best-case-Szenario: ich werde verrückt, aber bleibe kreativ und mit der Welt verbunden. Manie ist ein Wahnsinn mit positivem, kreativen, schöpferischen Potential. Ich bin aufgeladen mit einer ungeheuren Energie. Ich muss erstmal bremsen und was essen und sollte erstmal nicht weiter in meiner Schicksalsmaschine sitzen, lieber mich ausklinken, sonst dreh ich noch über.
"Stardust Memories" von Woody Allen... ein fantastischer Film, wie so viele andere von ihm. Er ist wirklich mein mit Abstand liebster Regisseur. Ich glaube, er hat einen Anteil an dieser Manie. Ich möchte nie wieder runterkommen, ich hoffe meine Gehirnsubstanz macht artig mit, oh ich brauche natürlich Entspannungsphasen. Ich lese vermehrt Nachrichten, ich gewinne an politischem Gefühl. Nüchterne Politik von nüchternen Menschen führt zu Ausländerfeindlichkeit, Naturzerstörung, Burnout, Terror, Krieg und Elend. Julius mag vorbeikommen, aber ich weiß er hat Angst vor Hunden, also treffen wir uns am Sonntag, wenn das Tier wieder weg ist. Ich freu mich auf ihn. Ich breche den Film kurz nach der Hälfte ab.
Es ist unmöglich, ohne Treibstoff voranzukommen. Ich habe heute instinktiv nur vegane Sachen gekauft. Der Supermarkt war freundlich, bzw. ich spüre dass der Dreck und das Elend dort nichts mit mir zu tun haben, was mich auf so sonderbare Weise besorgt und beruhigt, denn es ist, als würde ich jemandem einen bösartigen Tumor diagnostizieren und meine diebische, fanatische Freude darüber, nicht betroffen zu sein, droht mir herauszuplatzen. "Wir hätten den Koffer fester verschnüren sollen", ruft ein sich selbst überdrüssiger Fettsack mit krummem Rücken und Bockwurst-Atem in meinen Gedanken, die erzittert in blauer, rumpelnder Musik. Das Leben feiern oder verfluchen - welchen anderen Weg sollten wir uns noch erlauben? Ich fühle mich fest verbunden mit meinen Freunden, ich wünsche mir Harmonie und Offenheit und Kreativität und einen echten, bequemen Zusammenhalt. Ich will die Erschöpfung willkommen heißen, die sich jetzt, 21:12 in mir breit machen will. Blaue Matratze: Everybody Hurts. Die wohlige Dramatik, das Herz zerrührend, mich auspackend. Wie kann man sich nicht jeden Tag vor Rührung, Bitterkeit und Lebensfreude im Kreis drehen? Den Tag auf dem flüsternden Kissen der Erkenntnis, dass alles unsicher ist und bleibt, zur Ruhe kommen lassen.

Ich habe plötzlich so furchtbare Angst, von meinen Freunden, die mir alles bedeuten, die ich sehr liebe, als fettiger, perverser, stinkender, verklemmter Idiot wahrgenommen zu werden. Ich möchte wirklich nicht leben, wenn ich ein ekelhaftes Stück bin. Das ist eine grundlegende Aussage, eine ätzende, gewitterwolkene Binsenweisheit, die mich zu meinem Besten und Übelsten inspiriert. Ich muss mich beruhigen. Es ist nur eine Manie, ein erstes, unzweifelbares Aufblühen sämtlicher Kräfte. Ich darf die strenge,  bipolare Haltung nicht verlieren, ich muss die Balance halten, ich darf mich nicht verführen lassen von einer Einseitigkeit. Ich muss mich immer distanzieren, transzendieren, nihilieren können, ich muss mich halten wie einen Hund. Einen lieben, wilden, neugierigen, schmusebedürftigen Hund. Ich liebe das Tier, dass ich bis Sonntag bei mir habe. Sobald ich in Wut über mein Handy gerate, dass in brenzligen Situationen den Geist aufgibt, in Angst gerate, dass der Zerfall der Handyfunktionen etwas mit meinem geistigen Zerfall zu tun hat, zu tun haben will, kommt dieses süße Tier zu mir und beschwichtigt mich aufgeregt. Ich liebe dieses Tier. Ich herze und küsse es, es darf keine Angst haben, ich werde niemals meine Wut oder meine Manie auf andere Lebewesen auslassen... weder auf Tiere noch auf Freunde noch auf Kassiererinnen noch auf .. noch auf mich... Die Energie muss für die Kunst und die Politik verwendet werden. Ich sage mir, während ich auf dem Klo sitze und meine Bauchschmerzen in den Bauch von Erfurt entsorge, dass dieses großartige Leben, das sich mir offenbart, nicht wahnsinniger und bedeutender ist als das Leben von John Lennon oder Syd Barrett oder Martin Sonneborn oder Emil Cioran. Es kommt mir nur, nach Jahren des Dahintreibens im halben, seichten, schiefen, schmierigen Nichts, wie ein Skandal vor, etwas aus mir zu machen. Ich darf mich mit meinem strahlenden Gehirn nicht ausgezeichnet fühlen, ich darf mich nicht in einen Gott verwandeln: zumindest nicht solang ich noch an meiner wunderbar ungöttlichen, körperlichen Substanz hänge. Es ist bloß ein Wahn, der mir das Gefühl gibt, dass sich nun alles auf der richtigen Bahn befindet und ich nur geduldig an diesem unendlichen, stabilen, glorreichen Traum teilnehmen muss. Es ist aber ohne Zweifel eine bedeutende Zeit, ich befinde mich im Zentrum meines Lebens, alles wird sich fügen. Wie nie zuvor bin ich auf Austausch, auf ein stabiles, herzliches Miteinander angewiesen. Ist es nicht die wichtigste Botschaft seit langem, dass man sich und andere mit Kunst und Meditation, mit Krach und Sterilität, mit Feiern und Lesen und Schreiben und Musikhören und Musikmachen therapieren, stabilisieren, ja letztlich überhaupt erst richtig im Leben halten kann? Dass Leben eigentlich bedeutet, die eigenen Widersprüche und Sehnsüchte und Obsessionen und Krankheiten und Verwirrungen und Verirrungen zu gestalten, mit ihnen zu spielen, mit ihnen Politik zu treiben? Wir hocken das ganze Leben lang im Sandkasten und kauen Nägel, über uns der Wahnsinn eines klaren Sternenhimmels, der Freiheit und Liebe und Entgrenzung in unsere Knochen strahlt, unser Blut reinigt, unseren Alltag von unnützem Kram befreit, uns vertieft in das, was wir am besten können: in der Nase popeln und Wut oder Angst oder Ekel empfinden für die Welt, für die Menschheit in der wir leben. Die Manie verbietet mir, etwas zu verschweigen, etwas aufzuschieben. Alles muss sich im Hier und Jetzt verdichten zu einem großen, allesbedeutenden Traum, so als gäbe es kein Argument, keinen Widerstand gegen die Ekstase, gegen das Überdrehen, gegen eine bedenkliche, überbordende Trotzhaltung, gegen die ultimative Schiefstellung, gegen die Belastungsgrenzen des Zentralnervensystems. Hier, am Rand der Epilepsie, ist die wichtigste Frage: wie weit kannst du gehen? Wie weit kannst du dich in dich vertiefen, verästeln, verzärteln, verschweigen? Ich hoffe, der Hund leidet nicht an der Musik oder meiner Gegenwart. Ich gehe alle zwei Stunden mit ihm raus. Mir ist es wichtig, dass er sich wohlfühlt. Meine Liebe zu dem Tier beruhigt meine Nerven. Ich kann behaupten, mich noch nie so sehr gespürt zu haben wie in den letzten 24 Stunden, frei Angst, dass ich lediglich meine Restenergie ausstoße. Energie muss sich nicht rechtfertigen. Ich kann hier schäumen und brennen, ohne zu verstehen warum. Ich funktioniere auch, wenn ich mir selbst ein Rätsel bin - das ist die Frohe Botschaft. Drogen sind nichts mehr als ein Werkzeug, das Leben zu gestalten: solang sie wirken, braucht man sich nicht schämen, von ihnen abhängig zu sein. Man muss alles, was man nötig hat, um sich zu mögen und aktiv zu sein, so lang es geht ausnutzen. Die Alternative, also Mäßigung, Zurückhaltung, Askese, kommt nicht mehr in Frage, dafür haben wir es zu weit getrieben. Es gibt keine Alternative mehr: wir müssen uns in der Wildnis zurechtfinden, nicht nur weil wir die Wildnis, sondern weil auch die Wildnis uns braucht.
In jede politische Debatte gehört ein surrealistisches Gedicht, so wie in jeden Abend Gras gehört. Mein Gehirn defragmentiert sich gründlich, bis in den Hirnstamm, eine Flut an Leben und Sonnenschein und einem überwältigenden, schweren, ins innere Zentrum strahlenden Leichtgefühl, die Musik gewinnt an Ernst. Was ist relevant, aufgeschrieben zu werden? Diese Frage distanziert mich wiedereinmal vom Geschehen. Ich hab so ein schlechtes Gedächtnis, ich muss mir immer wieder sagen, wer ich bin. Ich habe es geschafft, das Ich auszuhebeln, das sich von der Illusion, alles im Blick und unter Kontrolle zu haben, berechtigt gefühlt hat, mich zu kreuzigen. Ich habe für das Chaos gesorgt, dass ich nötig hatte, um von mir loszukommen. Ich war auf direkter Bahn zur Depression. Ein Selbstmörder schlendert in mir herum, er wartet auf eine Gelegenheit, sich auf den imaginären Thron zu setzen, auf dem das imaginäre Selbst Platz genommen hat... er ist eine beschämte Hyäne, die sich nervös an den Krallen knabbert...

Die Frage, woran ich irgendwann sterben werde, ist so essentiell wie die Frage, ob es grad geklopft hat. Alles ist essentiell, alles ist dramatisch, weil alles mir entweder nützen oder schaden will... Die Unsicherheit ist der rationale Freund der Manie. Haltet Andacht in Euren Panikattacken. Ertragt den Schmerz, ertragt den Verdruss, haltet die euphorisch-skeptische Spannung aus, die Musik und Luft und Pullover in Euch platzieren. Alles gehört dazu. Vielleicht ist der Tod aber auch nur eine Figur in einem Werbespot für Tabakpflaster... Eigentlich haben wir den Tod ja abgeschafft, als wir die Kontrolle über die Zeit gewonnen haben. Aus dem Fluß der Zeit austreten, dich mit der ewigen Gegenwart verbinden, heißt zur Ruhe kommen... Die Panikattacke entsteht, wenn der Körper dem Geist nicht mehr hinterherkommt... Deswegen muss man sich immer wieder an den Zustand gewöhnen, bis man ihn tapfer ertragen kann,

Ich schreibe annähernd so schnell wie ich denke. Es ist beruhigend zu wissen, dass das unglaublich intensive aber doch auch subtile Rauschen im Kopf, es ist ein weiches, transparentes, sakrales Rauschen, Leitplanke des Lebens, repetative Sätze, repetatives Leben: ungewöhnlich, so aktiv zu sein, ich muss meine körperlichen Grenzen ernst nehmen, aber hätte auch nichts dagegen, würde ich ein bisschen aufplatzen. Ich nehme wahr wie ich hier schreibe. Wenn du dich im Kreis drehst, verliert die Zukunft an Relevanz. Alle Sätze strahlen, sie stabilisieren ein Rauschen, sie strukturieren die formlose Euphorie zu einer poetischen Extase zusammen. Die Zukunft steht nicht fest, ich bin vakant, welcher schmierige, schiefgewachsene Wurzeltroll hat Lust an meinen Knöpfen zu drehen? Momentmoment, was hab ich getan? Haha. Ich tu so als würde ich lachen. Jetzt muss ich wirklich lachen. Eventuell könnten das hier auch feindliche Gewässer sein... Ich brauche einen festen Platz und ich möchte strahlen. Punkte malen, Küsse verteilen, Tauben füttern, Lieder schreiben, Flugblätter verteilen. Ich fühle mich altersmilde und anarchistisch aufgeladen. Ich lebe doch für meine Biografie oder? Jeder lebt für seine Biografie... Meine Unfähigkeit, Geschichten zu erzählen, ist derart ausgeprägt, dass sich die Geschichte meines Lebens auf einen 2 cm-langen Knittelvers beschränkt, den ich mit diesen Büchern aufblähe.

Es gibt eine besonders wilde, rücksichtslos ekstatische Art von Jazz, die uns erinnern will an die Instabilität der Realität und die Euphorie, die möglich ist, nicht trotz, sondern weil alles instabil ist. Ich habe Angst vor der Nüchternheit, die mir blüht. Ich möchte tausende erregte, wirre, zärtliche Menschen umarmen, sonst verharre ich in einem trockenen Zustand der Abwesenheit von Dringlichkeit, für den ich nicht poetisch werden will.

Kindergeburtstag mit Rasiermessern. Ein Teebeutel klebt an der Wand. Ich möchte nicht in einer Welt kleben, in der Spaß ein Einwand sein kann.

Wir müssen unseren eigenen Geheimdienst aufmachen. Und viel, viel Wasser trinken! Die Angst, nie mehr etwas zu sagen zu haben, ist eine lustige Ente. 

Eine Manie muss wie eine Depression einen Nutzen für die Gesellschaft haben - unter diesem Stern rufe ich eine neue Utopie aus, schwitzend in meinem Schafspelz, schwitzend in meinem Wolfspelz, schwitzend in einem Kostüm aus Zeichen und Klängen.