Lob des Wohlfahrtsstaates

Ich  sehe es als meine erste Pflicht an, zu erklären, wie ich so glücklich  werden konnte: so viele Menschen haben es nötig, glücklich zu sein. Mein  Glück, meine echte Zufriedenheit, meine Freude am Leben ist eine große  Ausnahme unter Menschen. Es ist nicht  mein Verdienst, in einem milden, gerechten Wohlfahrtsstaat Unterschlupf  gefunden zu haben. Was für ein Glück ist es doch, dass ich in keiner  Maschine stecke, keine entwürdigende Arbeit tun muss, was für ein Glück,  dass ich in einer theoretisch liberalen, solidarischen, pluralen  Gesellschaft aufgewachsen bin, die das Grundgesetz ernst nimmt, das, von  meinem bequemen Sessel aus betrachtet noch viel radikaler und  herzlicher Menschenrechte proklamieren könnte. "Jeder hat die Pflicht,  glücklich zu sein. Alle staatlichen Institutionen wirken auf das  größtmögliche Glück jedes auf diesem Staatsgebiet lebenden Menschen  hin. Jeder hat das Recht auf Staatsbürgerschaft. Die Nation  ist eine all ihre Bürger umfassende Wohlstandsmaschine, geölt mit  Zuversicht und Liebe rattert sie Feste feiernd, Freude und Glück  verbreitend über die Erde." Ich lehne mich gern weit aus dem Fenster, ich bin noch nicht gelangweilt und abgestumpft genug, um die Hoffnung zu verlieren. Der schmutzige Wind bläst mir ins Gesicht, die Menschen auf den Straßen haben keine Lust, ihr Weltbild zu verändern. Wie unglücklich sind sie! Mit welch falscher Musik werden sie täglich versorgt! Mit welch schlechtem Fraß werden sie täglich vergiftet! Wenn sie sich doch Hilfe suchen würden.

 "Wer nicht glücklich ist, hat das Recht,  staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen: "Wir sorgen für dich, kümmer  dich derweil um dein Leben!", ruft der fröhliche Wohlfahrtsstaat seinen  Problemkindern zu und ach wieviel Problemkinder unterhält er, und er  unterhält sie gern, er füttert sie durch, ohne etwas zu verlangen, denn  er liebt sie alle - verfassungsmäßig garantiert. Die Verfassung ist die  Liebeserklärung, die sich ein Volk gibt.

Die Verfassung ist das Ich des Staates. Er entspricht immer der Persönlichkeit derer, die ihn proklamiert haben. "Indem wir uns eine  neue Verfassung gegeben haben, haben wir die Persönlichkeit des Staates  geändert.", werden wir sagen. Warum sollten wir uns mit der Verfassung zufrieden geben, die uns Leute gegeben haben, die wir niemals umarmen würden, selbst wenn sie noch lebten?

Deutschland kann es vormachen wie jeder andere europäische Staat auch: klinken wir uns aus der alten EU aus und begründen ein neues, interkulturelles Wohlfahrts-Europa mit allen Staaten der Welt, die uns dabei  unterstützen. Europa ist die Vision einer vereinten Welt, die eine  Heimat für alle Menschen ist, eine Phase allgemeiner Ruhe und  Entspannung, eine gemütliche Welt, in der alle Kinder auf der ganzen  Welt zur Schule gehen können, eine Welt mit allgemeinen sozialen Standards, die deutlich höher sind als das, was heute ein deutscher  Rentner für seine Lebensleistung bekommt. Man kann es einfach nur wollen oder einfach nur  nicht wollen und je mehr es wollen, desto möglicher wird es. 

Weltgeschichte ist keine schwierige Sache, wenn sich irgendwann die zärtlichen Leute durchsetzen.