Mein Rhythmus

Auf der Suche nach einem Mythos, der mir nicht lächerlich erscheint, steige ich in eine dornige Hecke, purzel gemütlich einen kleinen Abhang zum Gera-Ufer hinunter, bis ich keine Autos mehr höre und atme durch und zieh meine Lederjacke aus und lass die Septembersonne auf meine dünnen, weißen Arme scheinen. Ich nehme einen großen Stock, breche ihn in zwei Hälften und versuche mit ihnen einen Rhythmus auf meinem Brustkorb zu trommeln, an den sich alle Erfurter anlehnen können - und scheitere. Ich zieh meine Schuhe aus und lass meine Füße in den eiskalten Fluss baumeln, ich schließe die Augen und trenne die betäubende Kälte, die ich empfinde, von meinem Ich. Ich nehme die Kälte wahr, ich halte sie aus, sie hat nichts mit mir zu tun, ich schiebe sie immer weiter weg, während mein Ego immer größer wird, sich wie eine unsichtbare, flimmernde Kugel ausbreitet und meine Gesichtszüge werden immer neutraler und steriler, mein Frontallappen glüht wie das Zentrum des Weltgeschehens. Ich nehme wieder die zwei Stöcke und trommel auf meinem Brustkorb herum und finde endlich einen Rhythmus, an den sich alle Menschen anlehnen können und klettere barfuß vom Flussufer zurück in die Stadt, trommel mit meinen Händen den neuen Rhythmus auf meinem Brustkorb, während ich mir vorstelle, wie alle Menschen ihn hören und sich synchronisieren, gehe ich plötzlich über den Anger und es wird in dieser Sekunde 12 Uhr und mir wird in der nächsten Sekunde schwindlig, Kleeblatt hüpft aus der Bahn und gibt mir etwas zu trinken, wir gehen auf den Petersberg und ich leg mich ins Gras und grabe ein schwarzes Loch und stünde ich so neben mir wie ich könnte, würde ich das Loch auf den Namen Europa taufen, aber Kleeblatt schaut so, als wäre er nicht im Stande, mir derart zu vertrauen.