Kickericki, das Ende ist nah!

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Was für die Depression spricht: man kann nicht permanent in Aufruhr sein. - Wir gehen sicherlich keinen goldenen Zeiten entgegen, denn niemand versteht, wohin wir gehen. Wie kann man nicht ununterbrochen schäumen, revoltieren, platzen gegen das karge Ödland Mitteleuropas, vollgestellt mit kniehohen Karriereleitern; immer die selben Worte im Einklang mit immer den selben Institutionen: alle Wege führen in die Hölle.
Alle Wege führen in die Hölle, gelobt also sei der Straßengraben! - Lauft nicht mehr vorwärts! Das Ziel ist bloß ein Produkt des inneren Auges gewesen. Indem wir gehofft haben, verneinten wir die Zukunft.

Hoffnung ist wie Dauerwerbesendung im Nachtprogramm. Was für die Depression spricht: sie knipst die Hoffnung aus. Wenn man Glück, Drogen, Freunde oder Psychosen zur Verfügung hat, kann aus einer Depression eine Manie werden: you can get it if you really want, but you must try....try and error ... try and fail.... no matter if you succeed at laaaaaaaast....

Sobald man sich vorstellt, auszuticken, ist man bereits ausgetickt. Sobald man sich vorstellt, auszuticken, ist man bereits ausgetickt. Sobald man sich vorstellt, auszuticken, ist man bereits ausgetickt.

Die Unfähigkeit, sich richtig auszudrücken, die Unfähigkeit, linear zu denken, gerade zu stehen, den Gesprächen zu folgen, der Ampel zu gehorchen, die Unfähigkeit, Ekel und Freude und Verwirrung zu unterdrücken, die Unfähigkeit, sich auf etwas zu konzentrieren, die Unfähigkeit, schwere Maschinen zu bedienen, Kindern Brot zu schmieren und Obdachlose zu ignorieren, ist eine Superkraft, die mich verwundet.
"Jenseits meiner geistigen Kräfte fängt mein ganzes Potential an!", schrie er, mit Lametta und kleinen Wunden geschmückt, blauäugig stürzend, sich das Genick brechend; den Galgen knapp verfehlt, die Familientradition nicht fortgesetzt.

2
Ich betrete ein unwirkliches Sumpfgebiet, wenn ich über meinen Widerwillen klettere, den ich gegen meine schriftstellerische Arbeit empfinde. Das dumme Gesicht meiner Mutter, die nicht versteht, was ich mit Autosuggestion meine. Die Welt, die ich erfunden habe mit meiner Sprache, führt eine bedrohliche Koexistenz mit meinem organischen Leben. Ich schreibe, weil ich irgendwas mit der Zeit anfangen muss, die mir niemand geschenkt hat, die ich mir gestohlen habe, als ich aus dem Mund meiner Mutter in die Welt hineingeboren wurde: "DÄMION!", krächzt sie in die karge Küche, "Kickericki!", kichert Klein-Dämion und breitet seine Flügel aus und gleitet durch den Flur geschwind und klettert körperklausig auf den Fenstersims, stößt das Fenster auf und flieht in die Unendlichkeit eines Donnerstag Nachmittags. Die Geschichte endet hier, noch bevor es zum Aufprall kommt.
Ich komme ab. Ist man dann authentisch, wenn man das ausspricht, was man gerade als erstes denkt? Ist man authentisch, wenn man filtert? Wer ist es, der da filtert? Wer in mir entscheidet sich für welche Worte und warum? Weil ich diese Frage nicht beantworten kann, tauge ich als Schriftsteller nichts.
Zurück. Warum empfinde ich einen Widerwillen gegen das Einzige, das mir geblieben ist? Ich wäre nichts ohne meine künstlerische Arbeit. Je länger ich an einer Sache sitze, desto mehr entgleitet sie mir. Ich bin völlig ohne Führung, mein Orientierungssinn ist noch immer in den Kinderschuhen, abhängig bin ich von Freunden, deren Leben stabil genug ist, um mir auch ein bisschen Halt zu geben, illusorisch, dass man in diesen Zeiten, in dieser Stadt noch Menschen findet, die bei Trost sind. Ein riesiger, zersplitterter, amorpher Freundeskreis verloren in der edelgrauen Vormittagsmaschine.
Man würde den Werken von Schriftstellern kein Unrecht tun, wenn man sie auch als Bericht über den mentalen und körperlichen Zustand des Verfassers liest - vermutlich oft zwischen den Zeilen. Was sagt mein Schreiben über mich aus? Ich bin so auf Hoher See verloren und fragmentarisch wie meine Erfurt-Trilogie. Ich werde nur von denen verstanden, die etwas mit meinen Worten anfangen können. Kickericki! Kickericki! Ich hab sie noch alle beisammen! Meine künstlerische Arbeit beweist mir, dass ich kein Idiot bin. Kickericki! Hört ihr mich, geliebte Freunde? Ich bin immer noch da. Kickericki! Hat nicht irgendjemand Lust, mir ein bisschen Disziplin einzuprügeln? Ich hab den Plan vergessen, den ich mir herbeihalluziniert habe, als keiner hingeschaut hat.
Ich hab keine Lust mehr, Schriftsteller zu sein, ich will ein Himbeereis und mit meinen Freunden in der Sonne spielen. Wenn man nicht bereit ist, das Luftschloss der Kindheit zu verlassen, in dem man groß geworden ist, muss man eben alles auf eine Karte setzen. Keine Ahnung, was für eine Karte. Keine Ahnung, was ich überhaupt sagen will, vielleicht hab ich mir selbst ein Bein gestellt, vielleicht hab ich euch alle enttäuscht. Aber es würde mich nicht wirklich stören: immerhin bin ich nicht auf der Welt, um für euch abzuliefern, sondern für viel viel viel weniger.


3
Die Menschen hängen so sehr an ihrer Arbeit, weil das Leben so sinnlos ist. Sie fliehen vor der Leere des Daseins in die Hektik des Welttheaters.
Dasein an sich ist immer leer.
Ich nehme meine Umgebung wahr und genieße meine Körperlichkeit, geworfen in vulgäre Körperlichkeit, verdammt zum Existieren und Wahrnehmen, vulgäre Banalität, ohne jedwede Bestimmung, lebendig ohne Auftrag, atmend ohne Wert.

("Was fange ich mit mir an? Inwieweit muss ich mich mit meiner Umgebung identifizieren? Was soll dieser beschissene Organismus? Was will er von mir? Die Uhr tickt. Jede Sekunde vergeht. Ich gleite durch die Zeit. Es ist nicht möglich, sich irgendworan festzuhalten.")

Hingegen kann der stete Kampf auf einem Markt, der ein einziges, dezentrales Schauspiel ist, über die skandalöse Banalität hinwegtrösten.
Die Scheinrealität des öffentlichen Lebens täuscht über die Tatsache hinweg, dass alle äußeren Zustände politisch verändert werden können. Die Geschichte der Menschheit ist ein Ablenkungsmanöver wie nachmittägliches Privatfernsehprogramm. Indem wir uns erzählen, was die Menschheit bisher geschaffen und zerstört hat, täuschen wir uns darüber hinweg, dass unser eigenes Dasein ohne Notwendigkeit und Folge bleibt, weil es zu klein, zu opportunistisch, zu demütig ist. Deshalb sind mir Kunstwerke besonders viel wert, die eine manische, subversive, anmaßende Haltung zum Leben inspirieren. Hier also ein tolles Konzert von Psychic TV.